Folge 3 – Pilotprojekt MJB 1987

Projekt von 1987 stürmte als Überraschungsteam in die Oberliga Hessen

(uc). Kann eine große Handballspielgemeinschaft im Butzbacher Stadtgebiet erfolgreich sein? Wären eine Hessenliga öder höhere Ziele erreichbar, wenn Butzbacher, Griedeler, Kirch-Gönser und Pohl-Gönser sportlich an einem Strang ziehen würden? Diese Frage steht in der Wetterau seit Jahrzehnten im Raum. Konzepte liegen in Schubladen heimischer Handball-Funktionäre, wurden schon zig Mal verworfen. Die ganz große Lösung scheiterte bisher immer an alten Grabenkämpfen, wenn gleich mit der Gründung der HSG Butzbach im letzten Jahr ein toller Schritt in die richtige Richtung gelungen ist.

Ein längst zurückliegendes positives Pilotprojekt findet sich zum Thema große Spielgemeinschaft in den Jahrbüchern des TSV Butzbach: Die männliche B-Jugend schaffte 1987 als zusammengewürfeltes Außenseiterteam mit sechs Jungs vom TSV Griedel, vier vom TSV Butzbach und zwei von der SG Kirch-/Pohl-Göns unerwartet den Sprung in die Handball Oberliga Hessen – trotz im Vorfeld geäußerter Bedenken hinsichtlich der Kompatibilität und gerade wegen der Kräftebündelung im Stadtgebiet. Es war ein Experiment, das aus der personellen Not heraus geboren wurde, denn alle beteiligten Vereine hätten in der Altersklasse keine Mannschaft zusammenbekommen. Unter der Bezeichnung SG Griedel/Butzbach ging die Truppe mit den Trainern Burkhard Dilges und Jochen Schepp im Frühjahr 1987 in die Qualifikationsrunde. Dabei war der Teamspirit wichtiger, als der Vereinsname und die Trikotfarbe.


Die männliche B-Jugend einer Spielgemeinschaft aus Griedel, Butzbach und Kirch/Pohl-Göns am 30. Mai 1987, Aufsteiger in die Handball Oberliga Hessen:
stehend v.l.: Trainer Burkhard Dilges, Mathias Schepp, Christian Galler, Torsten Thönges, Frank Fröhlich, Thomas Buch, Trainer Jochen Schepp.
Knieend v.l.: Andreas Belke, Jörg Stangl, Martin Simon, Juanito Lopez, Martin Sames, Andreas Grieb, Sven Pallek.

An einem Sonntag im Mai schaffte diese „Butzbacher Stadtauswahl“ einen wahrlichen Husarenstreich und stürmte mit einem 12:10 Überraschungssieg gegen den haushohen Favoriten TSF Heuchelheim mit seinen Hessenauswahlspielern Marty Weber und Jens Steinbach in dessen Halle in die Oberliga Hessen. Notwendige weitere Siege in der Qualifikations-Gruppe 1 gegen Münchholzhausen und Neustadt waren eine Woche später nur noch Formsache. Es folgte eine anspruchsvolle Vorbereitung mit Trainingslager in Schotten und zwei Testspielen gegen die Jugendnationalmannschaft des Emirates Katar. Die Hallenrunde in der Oberliga Hessen Gruppe Nord brachte Spiele beim VFL Wanfried an der damaligen innerdeutschen Grenze, beim TSV Bebra, beim MTV Vernawahlshausen an der Grenze zu Niedersachsen und der SG Ostheim/Mosheim bei Kassel. Die Jungs aus Mittelhessen kamen viel rum, wuchsen kameradschaftlich zusammen und entwickelte sich sportlich weiter. Rivalitäten der Stammvereine aus früheren Tagen spielten keine Rolle.

Alle gegen einen: Am 7. März 1988 verteidigte die HSG-Jugend in der letzten Sekunde der Oberligasaison geschlossen ein 10:10 Remis beim bereits feststehenden Nordhessenmeister TV Großen-Linden. Der direkte Freiwurf von Großen-Lindens Ausnahmespieler Thomas Lepper blieb im Block hängen.

Als sportlicher Höhepunkt der Saison galt zweifelsohne das 10:10 Remis am letzten Spieltag beim späteren Nordhessenmeister TV Großen-Linden. Die von den Griedeler Verantwortlichen toll organisierte Saisonabschlussfahrt führte die Truppe im März 1988 in die damalige Bundeshauptstadt Bonn mit Besuch des Bundespresseamtes und des Innenministeriums inklusive Audienz beim damaligen stellvertretenden Bundespressesprecher Norbert Schäfer, der aus Griedel stammte. Nur zwei Jahre später wurde die Butzbacher Jugendspielgemeinschaft wieder aufgelöst. Der nummerische Engpass im Nachwuchsbereich war überwunden. Fortan warteten alle beteiligten Vereine allerdings viele Jahre auf die nächste Oberligateilnahme einer ihrer Jugendmannschaften. Die aktiven Teams spielten weiter gegeneinander. Das Potential neutralisierte sich auf Bezirksebene.

Thomas Buch