TT-Folge 8

Morgens Mathe und Physik, am Abend Tischtennis

OStR. Sann und Prof. Albrecht Motoren der TT-Jugendarbeit – Folge 8

(ba)   In der Tischtennis-Abteilung des TSV Butzbach, die in diesem Jahr 75.Geburtstag feiert, blieben  Abteilungsleiter wie Walter Griebel (16 Jahre), Heinz Stürmer (6 Jahre) oder Hermann Bang (17 Jahre) für einen längeren Zeitraum in ihrem Amt. Häufiger wechselten jedoch die Jugendleiter. Der Jugendarbeit in der Abteilung fehlte es an Kontinuität. Das sollte sich 1978 nach dem Abstieg der 1. Mannschaft aus der Gruppenliga Hanau/Offenbach ändern. Bernd Reuß, ein talentierter junger Spieler des TTC Dorheim, meldete sich damals bei Abteilungsleiter Hermann Bang.  „Ich möchte eure 1. Mannschaft verstärken und in eurer Abteilung die Jugendarbeit auf Vordermann bringen“, waren seine Worte. Einen Spieler seiner Qualität wollte sich die Abteilung nicht entgehen lassen, zumal man sich den sofortigen Wiederaufstieg in die Gruppenliga zum Ziel gesetzt hatte. Außerdem waren neue Ideen in der Nachwuchsarbeit dringend erforderlich. Schnell wurde man sich einig. Bernd Reuß, Jurastudent an der Uni Gießen, führte das TSV-Sextett mit Freddy Jost, Hermann Bang, Erich Seitz, Michael Weiß und Klaus Hartmann nach packendem Zweikampf mit dem TTV Nieder-Mockstadt 1979 zur Meisterschaft in der Bezirksliga und zum Wiederaufstieg in die Gruppenliga. Auch die Jugendarbeit erfuhr unter seinen Direktiven  einen ungeheuren Aufschwung. Nach dem Meisterschaftsgewinn lotste der gut vernetzte Reuß den jungen entwicklungsfähigen Spieler Friedrich Albrecht, Student der Sozialpädagogik, zum TSV. Darüber waren die Verantwortlichen des TTC Steinfurth, die Linkshänder Albrecht hervorragend gefördert und ausgebildet hatten, nicht gerade erfreut. „Ich habe für ein geringes Honorar beim TSV zugesagt , um u.a. mein Studium mit zu finanzieren“, nannte Albrecht als Hauptgrund für seinen Wechsel, der ihm nicht leicht gefallen ist. Mit Reuß und Albrecht im vorderen Paarkreuz wollte der TSV auch in der höheren Klasse Furore machen. Lange spielte das Butzbacher Sextett in der folgenden Runde um den Titel mit. Leider wurde das entscheidende Spiel gegen den Mitkonkurrenten TTC Büdesheim knapp verloren und die Titelträume waren geplatzt. Bernd Reuß, der sich nach der Saison aus Studiengründen vom TSV verabschiedete, hatte Friedrich Albrecht sehr gut auf den Umgang mit der TSV-Jugend vorbereitet.


Gerhard Sann (l) und Friedrich Albrecht waren in den 1980-iger Jahren die Motoren der Jugendarbeit in der Tischtennis-Abteilung des Jubilars TSV 1846 Butzbach (Foto und Text: ba)
Info: Albrecht ist der Spieler mit dem TT-Schläger     

Als Pädagogik-Student brachte der junge Steinfurther viel Ehrgeiz, Fingerspitzengefühl, methodisches und technisches Können mit, um die Butzbacher Jugendlichen für den Tischtennissport zu begeistern und diese kontinuierlich weiterzuentwickeln. Damals hat der HTTV damit begonnen, Übungsleiter auszubilden. Albrecht war bei den ersten Jahrgängen dabei. „Da wurde z.B. eine Plattenhälfte schief ausgestellt, um zu provozieren, dass nur die Vorhand angespielt wird, eine andere abgesenkt, um die Spin-Bewegung des Körpers herauszufordern. Das war die Heissig-Methode. Die Lehrbücher habe ich heute noch“, erläutert Albrecht.  Jugendliche wie Klaus Hartmann, Uli Henn, Kai Steuernagel, Markus Odignal, Andreas Groth und Bernd Weidemeyer profitierten von der ausgezeichneten Arbeit eines Friedrich Albrecht. „An die Butzbacher Sportfreunde erinnere sich  noch gerne zurück.  Mit Hermann Bang, der alles zusammengehalten hat, habe ich heute noch Kontakt. Unnachahmlich war die Rückhand von Klaus Hartmann, die Spielweise von Günter Jäkel, der so manchen Gegner entnervt zurückließ oder an die Ausgeglichenheit und den Kampfgeist von Manni Streit und Erich Seitz. Ich selbst war manchmal zu aufbrausend, wenn es nicht einmal so lief und hatte mit mir selbst einen weiteren Gegner am Tisch“ !  „Der Bär, wie er auf Grund seiner Haarpracht genannt wurde, war unser absoluter Spitzenspieler, flink auf den Beinen mit einem knallharten Schuss und seine Emotionalität konnte uns mitreißen“, versichert sein Mitspieler Gerhard Sann. Sann, Studienrat für Mathematik und Physik, startete seine Tischtenniskarriere in seinem Heimatort Burg/Nieder-Gemünden bei Homberg/Ohm. Bis 1972 spielte er dort in der Kreis-und Bezirksklassenmannschaft. 1978 schloss sich Sann dem TTC Wissmar  und ein Jahr später dem Gruppenligisten TV Ober-Mörlen an. Er wurde somit direkter Konkurrent der Butzbacher Akteure. Im Jahr 1982 vollzog  Gerhard Sann, der im Stadtteil Griedel ein Haus erworben hatte, logischerweise seinen Wechsel zum TSV. Die 1. Mannschaft  musste freilich noch eine Weile auf die Unterstützung des neuen, mit viel Vorschusslorbeeren bedachten Mannes warten, da er sich einer Bandscheiben-OP unterziehen musste. Schließlich stand Sann Monte später auf dem Mannschaftsmeldebogen des TSV und spielte mit Friedrich Albrecht in der Liga ein starkes Doppel. Als Lehrer zeigte er  großes Interesse an der Jugendarbeit. Er fand Gefallen daran wie vorbildlich sein Doppelpartner Albrecht mit seinen Schützlingen harmonierte. Als Jugendleiter gestaltete Sann die Förderung des Butzbacher Nachwuchses alsbald an exponierter Stelle maßgeblich mit. „Morgens in der Weidigschule habe ich meine Schüler Dirk Nauert und Jochen Rapp in Mathe und Physik unterrichtet und am Abend trainierten wir gemeinsam in der Turnhalle der Degerfeldschule. Mit beiden habe ich sogar zeitversetzt in der 1. Mannschaft zusammen gespielt“, erinnert sich Sann, der auch  der ersten Garnitur angehörte, als mit Ernst Neumetzler ein starker Abwehrspieler vom TTC Höchst/Nidder zum TSV kam. In der Nachwuchsförderung durfte Jugendleiter Sann auf ein bewährtes Trainer-Team bauen. Neben Friedrich Albrecht wirkten Bernd Weidemeyer, Thorsten Hiebenthal, Uli Henn, Andreas Groth, Horst Wächtershäuser, Gerhard Pracht und Klaus Hartmann als Übungsleiter und Betreuer mit.  Sann verstärkte später die 2. Mannschaft (Bezirksklasse und Kreisliga). Danach gab es für ihn wegen eines Tennisarmes nur noch sporadische Einsätze. „Der verantwortliche Übungsleiter Friedrich Albrecht und Jugendleiter Gerhard Sann waren einige Jahre lang die Motoren einer erfolgsgekrönte Jugendarbeit in unserer Sparte“, lobte der damalige Abteilungsleiter Hermann Bang. Als Friedrich Albrecht 1987 aus Studiengründen seinen Abschied vom TSV verkündete, gab es im Gefüge der 1. Mannschaft einen Riss, der nicht  zu kitten war. Das dezimierte Team musste den Abstieg in die Bezirksliga in Kauf nehmen. Oberstudienrat Gerhard Sann unterrichtete beinahe drei Jahrzehnte an der Weidigschule und   befindet sich dato im Ruhestand. Die Verbindung zur Abteilung ist nach seiner aktiven Zeit nie abgerissen. Mit den TT-Senioren nahm der passionierte Rennradfahrer an vielen Ausflugsfahrten teil. Die letzte 2019 durchgeführte Fahrt nach Mainz und Wiesbaden organisierten Sann und seine Ehefrau Marianne hervorragend. Friedrich Albrecht hat nach seinem Examen an der Uni Frankfurt zunächst als Sonderschullehrer gewirkt. Nach einigen Jahren im hessischen Schuldienst kehrte er als pädagogischer Mitarbeiter an die Uni zurück und promovierte zum Dr. phil. Schließlich erhielt er einen Ruf als Professor für Behindertenpädagogik an die Hochschule Görlitz/Zittau. Dort war er 14 Jahre als Rektor der Hochschule in Amt und Würden. In seinen letzten Semestern bis zum vorgezogenen Ruhestand im kommenden Jahr bildet er aktuell wieder Studierende im Fachbereich Behindertenpädagogik aus. Nach seiner aktiven Zeit beim TSV Butzbach kehrte Albrecht zu seinem Stammverein TTC Steinfurth zurück und spielte bis 1994 in der 1. Mannschaft. Berufsbedingt beendete er seine TT-Karriere. Heute geht er, wenn es seine Zeit erlaubt, im Zittauer Gebirge wandern.