F2 – Gerhard Strasheim war der Vorzeigeturner des TSV Butzbach

(ba)  Kunstturnen ist eine Sportart, bei der viel Beweglichkeit und Kraft gefragt ist. Beim TSV 1846 Butzbach, der in diesem Jahr 175 Jahre alt wird, hat das Geräteturnen eine lange Tradition. Der damalige 1. Vorsitzende Prof. Albert Wamser setzte sich vor Beginn des 1. Weltkrieges vehement dafür ein, dass  im Verein immer wieder Musterriegen ausgebildet wurden, die bei diversen Wettkämpfen und Deutschen Turnfesten Siegerlorbeeren gewinnen konnten.  Auch nach dem Ende des 2. Weltkrieges setzte sich Mitte der Fünfziger Jahre diese Tradition im Turn-und Sportverein fort. Hans Kasper war ein erfolgreicher Wettkämpfer und Vorturner, bei dem sich die jungen Turner Liebe, Riedel, Weckler und Co. einiges abschauen konnten. Ein wenig später turnte sich der heute 88 Jahre alte Gerhard Strasheim, der im Butzbacher Stadtteil Griedel wohnt, in den Mittelpunkt. Bereits im Jahr 1958 zeigte er an allen Geräten wie Barren, Reck, Pauschenpferd, Ringe, Boden und Sprung beinahe perfekte Übungen, so dass seiner Beförderung zum Vorturner nichts im Wege stand. Innerhalb der TSV-Männerriege zeigte er die besten Leistungen. In seiner aktiven Zeit bis 1973 wurde er an seinem Spezialgerät, dem Reck, dreimal Gaumeister. Seine wagemutigen Drehungen, Schwungübungen und Flugelemente an der 2,80 Meter hohen bruchsicheren Stange aus Edelstahl waren atemberaubend. Zu Meisterehren im Turngau Wetterau-Vogelsberg brachte es Strasheim gegen die starke Konkurrenz aus Glauberg, Rainrod, Bleichenbach , Nieder-Mörlen und Friedberg zweimal am Barren. Auf den zwei Meter hohen, parallel verlaufenden Holmen hatte Strasheim ausreichend Kraft in den Armen, um zum Handstand zu kommen. Dazwischen eingestreute Salti ließen seine Übungen dynamischer wirken. Ganz oben auf dem Treppchen stand Strasheim auch einmal beim Wettkampf am Pauschenpferd. „Gerhard war stets ein Vorbild in puncto Disziplin, Ausdauer und Trainingsfleiß. Er hat uns angespornt, es ihm gleichzutun. So konnten wir permanent unser Niveau auf ein höheres Level bringen“, lobt Wernfried Schwarzbach seinen Lehrmeister. Dessen gute Leistungen blieben auch im Turnverband nicht unbemerkt. Der HTV lud Strasheim mehrfach zu Lehrgängen ein und nominierte ihn für die Hessenriege. Von 1966 an besaß Strasheim zusätzlich die Startberechtigung für den TV Großen-Linden, der in der Landesliga turnte. Auch in dieser Riege gab es für den Butzbacher Turner viele Erfolgserlebnisse. Von 1970 an bis 1996 fungierte Gerhard Strasheim als Kampfrichterwart des Turngaues. Er hatte als Wertungsrichter viele Einsätze in der Landesliga und auch bei einem Länderkampf der Deutschlandriege. Seine Vorbilder waren der Kölner Helmut Banz, der 1956  überraschend Olympiasieger im Pferdsprung und Willi Jaschek vom TSV Heusenstamm. Von 1962 bis 1970 holte der hessische Vorzeigeturner und Olympiateilnehmer mehrmals Deutsche Meistertitel im Zwölfkampf, am Pferd, den Ringen und am Barren.

Wernfried Schwarzbach, der wie sein Sportfreund Strasheim ebenfalls in Griedel wohnt, kam als Vierzehnjähriger 1958 zum Turnen beim TSV und bald darauf in die Riege der Leistungsturner um Trainer Strasheim. „Als Turner bist du ein Einzelkämpfer. Du musst Ausdauer und eine gehörige Portion Disziplin mitbringen, weil Erfolgserlebnisse lange auf sich warten lassen. Da hat so mancher talentierte Butzbacher Bub schon vor Beginn der Wettkampfzeit das Handtuch geworfen“, erläutert  Wernfried Schwarzbach, der mit einigen Gleichgesinnten wie Gerhard Breitschopf, Walter Weißmann, Hugo Dannehl und Kurt Diehl von Trainer Strasheim bei der „Stange gehalten“ wurde. Sein unbändiger Wille,  im Training alles aus sich herauszuholen und manchmal auch Schmerzen zu ertragen, brachte ihm einen Stammplatz in der TSV-Kunstturnerriege ein. Seine Stärken hatte Schwarzbach am Barren und beim Bodenturnen. „Beim Turnen muss man sehr vielseitig sein, denn an jedem der sechs Geräte braucht man einen ordentlichen Anfang, eine gekonnte Übung mit den geforderten Schwierigkeiten und einen mehr oder weniger spektakulären Abgang vom Gerät“ ! Schwarzbach war nach seiner aktiven Laufbahn im TSV noch lange als Übungsleiter tätig. Im Jahr 1966 hat er sogar eher als sein Vorbild Gerhard Strasheim die Übungsleiterlizenz erworben. So manchen seiner Schützlinge hat „Wernie“ vom Kinderturnen bis hin zur Leistungsriege betreut und pflegt heute immer noch  Kontakte. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben hat Schwarzbach die Laufschuhe geschnürt und am Wingertberg seine Runden gedreht, die mit der Zeit immer länger wurden. „Da mir das Laufen viel Spaß gemacht hat, fasste ich den Entschluss, auch mal einen Marathon zu bewältigen „! 2005 ging Wernie in Frankfurt an den Start und erreichte das Ziel. Seine Laufzeit hat ihm weniger imponiert. Das wollte er unbedingt besser machen. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und konnte mich 2006 beim Frankfurt-Marathon gleich um 45 Minuten verbessern“ ! 2007 ging der Butzbacher Sportler mit eisernem Willen über die 42 km in Berlin an den Start. Danach probierte er sich im Triathlon zunächst bei der Veranstaltung in Maibach und danach in Butzbach und Gießen. Auch das Volleyballspielen und Schwimmen hat der sportlich vielseitig begabte Schwarzbach betrieben. Seit 40 Jahren besucht er mit seiner Frau Doris geb. Helduser die Sie-und Er-Turnstunde im TSV. „Das macht immer großen Spaß. Bei meinem ersten Marathon in Frankfurt war unsere TSV-Gruppe fast vollzählig am Straßenrand vertreten und hat mich angefeuert. Das hat mir die Willensstärke verliehen, zu finishen“ !