Folge 5 – Magier besuchte Butzbach

Auch der Magier Vlado Stenzel besuchte den Butzbacher Bundesligazirkus

(uc). Alfred Gislason kommt am Sonntag zum Heimspiel der HSG Butzbach. Und beim Gegner spielt Uwe Gensheimer auf Linksaußen – das wäre die Schlagzeile heute. Wenn man das Rad der Geschichte um 50 Jahre zurückdreht, muss es sich so oder ähnlich für die Spieler und Handballfans des TSV Butzbach Anfang der 1970er Jahre in der Vorschau auf ein anstehendes Sportwochenende angehört haben. Während der Bundesligazeit besuchten große Namen den ländlichen Butzbacher Handballzirkus, der vom Hessischen Rundfunk mit Ü-Wagen hinter der Halle regelmäßig eingefangen und medial transportiert wurde.


Auch der damalige Deutsche Nationaltrainer Vlado Stenzel war in den 1970er Jahren zu Gast in der Butzbacher Sporthalle und beobachtete seine Schützlinge, die regelmäßig bei den Butzbacher Gegnern aufliefen. Später wurde er als Magier und Weltmeistertrainer in ganz Deutschland gefeiert.  – Foto: TSV-Archiv

Am 22. März 1975 kam der damalige Bundestrainer Vlado Stenzel in die Wetterau und begutachtete das Nachbarderby zwischen dem TSV Butzbach und dem TV Hüttenberg. Der als Magier verehrte, spätere „König von Kopenhagen“ beobachtete an diesem Abend seinen Hüttenberger Nationalspieler Horst Spengler, der beim bereits feststehenden Absteiger Butzbach wenig Mühe hatte, um mit 12:18 zu gewinnen. Stenzels Vorhaben, Deutschland mit Kapitän Spengler und einer jungen Truppe an die Weltspitze zu führen, setzte er drei Jahre später in die Tat um. Die Bilder des gebürtigen Kroaten mit Krone auf dem Haupt als Weltmeistertrainer gingen um den Globus. Bereits 1973 war Stenzel als Jugoslawischer Nationaltrainer Augenzeuge des Butzbacher Aufstieges in Rüsselsheim und er stellte seinem Landsmann Turkaly im Interview nach dem Spiel ein mäßiges Zeugnis aus. „Was mir an Turkaly nicht gefallen hat ist, dass er sich so viel mit den Schiedsrichtern eingelassen hat“, soll Stenzel etwas humorlos im Butzbacher Bundesligajubel gesagt haben, was den Helden aber egal gewesen sein dürfte, denn sie freuten sich schon auf die Duelle mit den ganz Großen des Deutschen Handballs.

Am 15. Dezember 1973 gastierte der ehemalige Deutsche Meister SG Leutershausen mit dem späteren 43fachen Nationalspieler Jürgen Hahn beim Aufsteiger in Butzbach. Hahn konnte zur völlig überraschenden 17:9 Blamage seiner Mannschaft beim Underdog aus Mittelhessen keinen Treffer beisteuern. Drei Jahre später war er Teilnehmer der Olympischen Spiele in Montreal und abschließend 1992 auch Vizemeistertrainer wieder in Leutershausen. Butzbach holte mit dem Sieg wichtige Bundesligapunkte im Abstiegskampf.


Shakehands mit den ganz Großen der Deutschen Handballszene, das war bei Butzbacher Heimspielen gang und gäbe: Auf dem Foto begrüßen Jogi Röhrig (rechts Nr. 4) und Günther Bormann (rechts Nr. 6) im Januar 1974 den Gegner.

Unbestritten ein echter Höhepunkt war am 10. Februar 1974 der Auftritt von Frisch-Auf Göppingen vor über 2000 Zuschauer in der restlos überfüllten Butzbacher Halle. Beim Deutschen Meister von 1970 und 1972 und Viertelfinalist im Europapokal der Landesmeister stand gleich die halbe Nationalmannschaft im Aufgebot. Armin Emrich erzielte an diesem Abend das 1:0, konnte den Butzbacher 15:14 Sensationssieg am Ende aber auch nicht verhindern. Emrich spielte bis 1982 in der Bundesliga und war später Deutscher Nationaltrainer der Männer und Frauen. Ebenfalls auf dem Butzbacher Parkett im Einsatz war an diesem Abend Peter Bucher, 78facher Nationalspieler und Olympiateilnehmer 1972 in München.

Am 23. März 1974 machte der TSV Butzbach in einem seiner besten Heimspiele den Klassenerhalt endgültig perfekt. Beim 21:19 Sieg gegen den TSV Karlsruhe-Rintheim spielte mit Max Müller ein weiterer Nationalspieler beim Gegner. Müller wurde 51mal in die DHB-Auswahl berufen, warf dabei 110 Tore und war 1970 WM-Fünfter in Frankreich hinter Weltmeister Rumänien und Vizeweltmeister DDR.

Dem TSV Butzbach gingen mit dem Abstieg im März 1975 auch die großen Namen auf dem Hallenparkett verloren. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, ehe ein gewisser Florian Naß mit dem TSV Nieder-Mörlen regelmäßig in Butzbach gastierte. Eben jener Naß, der später eine Karriere als ARD-Kommentator und Handball-Experte startete und im Februar 2007 den Deutschen WM-Sieg in Köln live kommentierte.