Folge 6 – HandballerSprache

„Gustav vier auf zwei rechts“ – Handballer haben eigene Sprache

(uc). Gustav, Gustl und Guddel – Nein, das sind nicht die Neffen von Donald Duck, sondern die Spitznamen dreier Brüder, die in der Handballabteilung des TSV Butzbach lange Jahre aktiv waren, mit bürgerlichen Namen eigentlich Reinhard, Norbert und Martin Gans heißen und in diesem Jahr zusammenaddiert, wie ihr Verein, 175 Jahre alt werden.  Handballer wie sie hatten schon immer ihre eigene Sprache. Stellt sich die Frage, was der heimliche Code eigentlich sollte? Und wo kam er her?


 
Drei Brüder, die in diesem Jahr zusammen 175 Jahre alt werden, genauso wie ihr Heimatverein TSV Butzbach, für den sie jahrelang Handball spielten, v.l.. Martin Gans ( genannt „Guddel“), Norbert Gans (genannt „Gustl“) und Reinhard Gans (genannt „Gustav“)

Während der Spiele gab es schon immer mystische Dinge zu hören. Da wurde schon mal der „Fozzy-Bär hinten herum geholt“, der „Lancelot sollte steil gehen“ und der „Schwamm wurde als Indianer postiert“. Eine mutmaßliche Erklärung für die kryptischen Formulierungen scheint folgende: Zum einen erzeugten Kosenamen schon immer eine gewisse Vertrautheit und ein Wir-Gefühl innerhalb einer Gruppe, einer Mannschaft oder eines Vereins. Wer die scherzhaften Bezeichnungen der Personen nicht kannte, gehörte nicht zum inneren Kreis. Wer demnach keinen Spitznamen hatte, bekam einen verpasst – ob er wollte oder nicht, eine zweite Identität eben, die ihn in den Dunstkreis der coolen Handballer hob. So wurde schonmal aus dem Matthias ein „Herbert“ oder aus dem Andreas ein „Scottie“. Alphatiere innerhalb einer Mannschaft hatten größere Akzeptanz bei der Namensfindung. Wenn der Leitwolf einen Namen ausgesucht hatte, musste der Rookie (= Nachwuchsspieler) gehorchen. Zum andern gab es verschlüsselte taktische Anweisungen auf dem Feld, die vor dem Gegner geheim gehalten werden sollten. „Vier auf zwei rechts“ stellte Abwehrpositionen in der gegnerischen 6-0-Deckung dar, die gezielt bespielt werden sollten.

Filme und Serien dienten als Quelle der Sprache und Namensgebung. Auch die Handballer des TSV Butzbach bewiesen auf diesem Gebiet Kreativität. Wer als jüngerer Spieler beim TSV Butzbach in den 1980er und 1990er Jahren aktiv war, wurde von den alten Haudegen ganz automatisch mit dem Klassiker „Das Leben des Brian“ von Monty-Python vertraut gemacht. Die Sportler witzelten sich mit den zahlreichen Passagen der weltbekannten Christus-Parodie durch fast jedes Training und erzeugten gute Stimmung und manchmal auch Trost bei herben Niederlagen. Wahrscheinlich war das der Kernantrieb des ganzen Klamauks. Bei der Gegneranalyse wurde spaßeshalber von „Purschen“ und „Churken“ gesprochen – natürlich absichtlich mit dem Sprachfehler der Hauptperson des Brian-Films. Die „Ritter der Kokosnuss“, ebenfalls aus der Feder des britischen Schauspielers John Cleese, brachte sogar zwei Lancelots in Reihen der Butzbacher Handballer hervor: Den „vom See“ und „den von Camelot“. Das Repertoire schien unerschöpflich.

Auf dem Platz spielte man schonmal „Calden rechts“ oder „Student“ links, einfache Signalwörter für Laufwege und Ballpassagen. So mancher Trainer forderte die Spieler auf, „die Hände aus dem Maschinenraum zu nehmen und keine Politik zu machen“, was so viel hieße wie „konzentriere und bewege dich“. In den Jahren seit Gründung der HSG Kirch-/Pohl-Göns/Butzbach kamen sich die Beteiligten nicht nur sportlich näher – „Conjo, nein“, sie entdeckten auch andere Gemeinsamkeiten, denn Tony Montana aus dem Film „Scarface“ war auch im Café Maiwald bekannt und schon hatten die Kameraden der neuen Spielgemeinschaft, die sich selbst bald auch als „Vöchel“ bezeichneten, ein Gesprächsthema bzw. ein Spruch, der so viel hieße wie Mist oder Verdammt. Der Sport und insbesondere der Handball war und ist wunderbar, auch weil er auch mit Hilfe der Sprache aus Spielern Freunde und aus einer Gruppe eine eingeschworene Gemeinschaft macht.